Dieser Browser ist veraltet. Bitte wechseln Sie zu einem anderen Browser, um unsere Website in vollem Umfang nutzen zu können.

Linde Brand Manager Stefan Prokosch wirft einen Blick in die Zukunft der Intralogistik

Das nächste grosse Ding
Stefan Prokosch, Senior Vice President Brand Management bei Linde

Wie gelingt der endgültige Übergang vom Verbrenner zum Elektrofahrzeug? Wann wird der großflächige Einsatz von Wasserstoffantrieben möglich? Welche Rolle spielt die Digitalisierung in der Intralogistik und was macht den Digitalen Zwilling zum Must-have der Zukunft? All das und mehr diskutiert Stefan Prokosch, Senior Vice President Brand Management bei Linde, im großen Zukunftsinterview.

Stefan, in welchem Fahrzeug steckt heute mehr Zukunftspotenzial – im Gabelstapler oder im Automobil?

Es heisst immer, der Entwicklungsstand von Logistikfahrzeugen hinke etwa fünf Jahre hinter der Automobilindustrie her. Das mag häufig stimmen, aber bei mindestens einem zentralen Zukunftsthema sind wir meilenweit voraus. Ich rede von der Elektrifizierung. Vor allem in Deutschland hat die Elektrowende in der Autobranche erst in den vergangenen Jahren eingesetzt. Bei Linde haben wir schon vor über 50 Jahren die Chancen von Elektroantrieben erkannt und die Technologie seither konsequent weiterentwickelt. Heute laufen 60 Prozent unserer Stapler und all unsere Lagertechnikfahrzeuge elektrisch. Mit unseren neuen Gegengewichtsstaplern, die 2021 auf den Markt gekommen sind, haben wir nun sogar einen E-Stapler, dessen Leistungsfähigkeit einem klassischen Verbrenner in nichts mehr nachsteht.

Ist das Ende der Verbrenner also bereits in Sicht?

Bei Linde bauen wir so lange Verbrenner, wie die Kunden sie von uns fordern. Aber ja, mittelfristig sind sie sicher ein Auslaufmodel. Mit Blick auf den Klimawandel sind wir es kommenden Generationen schuldig, Fahrzeuge auf saubere, umweltschonende Energieformen umzustellen. Mit unseren neuen Gegengewichtsstaplern haben wir bereits die Brücke für den kompletten Übergang von Fossil zu Elektro geschaffen. Die Basis dafür ist eine gemeinsame technologische Plattform, auf der wir je nach Bedarf elektrische oder verbrennungsmotorische Stapler bauen können. Wir montieren sie auf derselben Linie und nutzen für beide Varianten die gleiche Bordarchitektur und die gleiche Software. Das macht unseren Kunden den Übergang vom Verbrenner zum Elektrostapler maximal komfortabel.

Bei Linde haben wir schon vor 50 Jahren die Chancen von Elektroantrieben erkannt und die Technologie seither konsequent weiterentwickelt.
Sagen Energietrends in der Intralogistik die Entwicklungen in der Autobranche voraus?

Ja, das halte ich definitiv für möglich. Ein guter Kandidat dafür wäre zum Beispiel der Wasserstoffantrieb. Bei Linde entwickeln und nutzen wir diese Technologie seit vielen Jahren. Viele Experten sehen in der Wasserstoff-Brennstoffzelle eine langfristige Zukunftslösung, sowohl in der Intralogistik als auch in der Autoindustrie. Und das aus gutem Grund, denn in Wasserstoff schlummert gewaltiges Potenzial. Er könnte uns unabhängiger von Rohstoffimporten machen und bietet zugleich die Chance für eine wirklich klimaschonende Antriebstechnologie. Daher fangen immer mehr Unternehmen an, sich intensiv dafür zu interessieren.

Wie bewertest Du den Entwicklungsstand beim Wasserstoff?

Derzeit sind Wasserstoffantriebe generell noch eine Nischenlösung, mit denen sich kaum Geld verdienen lässt. Die Technologie wird hauptsächlich von Unternehmen forciert, die entweder über Wasserstoff verfügen oder auf Wasserstoff setzen, um schnellstmöglich ihren Kunden CO2-neutrale Produkte anbieten zu können. Dabei wollen wir sie gerne unterstützen. Unseren ersten Wasserstoff-Stapler haben wir vor 25 Jahren gemeinsam mit Siemens entwickelt. Heute können wir auch für Lagertechnikgeräte erste Serienlösungen anbieten. Aber wir denken das Thema schon deutlich weiter. Vor drei Jahren haben wir begonnen, unsere eigenen Brennstoffzellen zu entwickeln, die heute kurz vor der Serienreife stehen. In meinen Augen leisten wir damit Pionierarbeit, und zwar weit über unsere eigene Branche hinaus.

Was müsste passieren, dass Wasserstoffantriebe sich flächendeckend durchsetzen?

Im Grunde ist die Technologie schon sehr weit. Trotzdem gibt es noch viel zu tun. Immerhin ist jede Brennstoffzelle ein Chemiekraftwerk im Miniaturformat. Für den flächendeckenden Einsatz ergeben sich daraus viele Fragen, die sich nur über Digitalisierung und Standardisierung lösen lassen. Zum Beispiel braucht man für eine effektive Betankung Echtzeit-Daten zu Druck und Tanktemperatur, aus denen sich die ideale Tankgeschwindigkeit errechnen lässt. Das wird nicht funktionieren, wenn jeder Hersteller sich dafür seine eigene Insellösung zurechtbastelt. Ähnlich wie bei der Elektrifizierung kann auch der Wasserstoff nur erfolgreich sein, wenn wir globale Standards schaffen und die Digitalisierung gezielt nutzen.

Stefan Prokosch, Senior Vice President Brand Management bei Linde
Mit dem Digitalen Zwilling können wir Software-Updates ‚over the air‘ durchführen, nachträglich Funktionen und Services freischalten, Ferndiagnosen durchführen und vorausschauende Wartung betreiben.

Stefan Prokosch, Senior Vice President Brand Management bei Linde

Denkt man als Ingenieur heute die digitalen Dimensionen eines Fahrzeugs von Beginn an mit?

Ja, mittlerweile auf jeden Fall. Als klassische Fahrzeugbauer kommen wir gedanklich eigentlicher immer von der Hardware-Seite, auch was Innovationen betrifft. Aber die digitale Welt wird in der Intralogistik immer wichtiger. Deshalb müssen wir lernen, an welchen Stellen wir die Prozesse unserer Kunden digital unterstützen können. Bei Linde haben wir dieses Denken bereits stark verinnerlicht. Mittlerweile haben wir mehr als eine Viertelmillionen Fahrzeuge im Feld, die sich in digitale Lagerumgebungen integrieren lassen. Rund die Hälfte unserer Neufahrzeuge sind bereits ab Werk vernetzbar. Gleichzeitig bieten wir mit unserem Flottenmanagementsystem Linde connect leistungsstarke Softwarelösungen, die wir permanent um neue Features erweitern.

Was ist das nächste große Ding in der Digitalisierung?

Aus meiner Sicht ist das der Digitale Zwilling. Also die Möglichkeit, das reale Fahrzeug in der virtuellen Welt zu spiegeln, inklusive aller Daten aus dem laufenden Betrieb. Damit schaffen wir die Voraussetzung, kontinuierlich aus den Daten zu lernen, sofern sie uns die Kunden zur Verfügung stellen, und den Fahrzeugzustand immer genau zu kennen. So können wir bei Bedarf das Fahrzeug über Softwareupdates an aktuelle Anforderungen anpassen, ohne jedes Mal komplett neue Hardware ausliefern zu müssen. Das Fahrzeug wächst also mit den Herausforderungen unserer Kunden. Bei Linde haben wir unsere neuesten Fahrzeuge bereits mit einem Digitalen Zwilling ausgestattet. So können wir Software-Updates „over the air“ durchführen, nachträglich Funktionen und Services freischalten, Ferndiagnosen durchführen und vorausschauende Wartung betreiben. Digitale Zwillinge sind ein geeignetes Instrument, Produkte und Prozesse fortlaufend zu verbessern. Außerdem können wir sie nutzen, um Batterien und Brennstoffzellen zu überwachen und zu optimieren.

Funktionierender Klimaschutz und ökonomischer Erfolg sind in Zukunft zwei Seiten derselben Medaille. Der Schlüssel dafür ist ohne Frage die Digitalisierung.
Damit wären wir wieder beim Thema Energie. Welche Möglichkeiten eröffnet die Digitalisierung für die Energienutzung?

Sehr große. Das aktuelle Weltgeschehen zeigt, dass wir mittelfristig mit einem gewaltigen Energieengpass konfrontiert sein werden. Die Digitalisierung kann helfen, dieses Problem zu bewältigen. Bislang haben sich Hersteller vor allem darauf konzentriert, den Verbrauch der Fahrzeuge zu reduzieren. Aber heute reicht das nicht mehr. Eines der wichtigsten Zukunftsfelder wird das Energiemanagement sein. Da geht es um Fragen wie: Wann können Stapler pausieren, um bei gleichbleibender Umschlagleistung den Verbrauch zu senken? Wie muss ich meine Fahrzeuge einsetzen, um die Effizienz der Gesamtflotte zu steigern? Welche Schlüsse zieht die KI aus dem Flotteneinsatz der letzten Wochen? Funktionierender Klimaschutz und ökonomischer Erfolg sind in Zukunft zwei Seiten derselben Medaille. Der Schlüssel dafür ist ohne Frage die Digitalisierung.

Stefan, vielen Dank für dieses Gespräch.